Artemisia und Johanneskraut

22 Juli 2020 von | Kategorie: -nicht gesetzt-, Pflanzenmonographie

George Brasch, Heilpraktiker, Pflanzenheilkunde, Kräuterheilkunde, Pilzheilkunde, Ausbildung, Mykotherapie,

 

 

Pflanzenforschung – Johanniskraut und Artemisia annua

In meiner Doku Empfehlung, die sage und schreibe vor 22 Jahren erstmals ausgestrahlt wurde, geht es um die Wirkung von Johanniskraut bei Depressionen und Artemisia annua, dem Einjährigen Beifuß, bei Malaria. Hier der Link zur Doku

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was ist nach 20 Jahren aus der Forschung geworden?

Johanniskraut (Hypericum perforatum)

 

Um Johanniskraut ist es stiller geworden, obwohl es ein zugelassenes, gut untersuchtes und von der GKV bezahltes Präparat bei leichter und mittelschwerer Depression gibt. Viele Ärzte kennen es gar nicht, geschweige denn,  dass sie es first hand ausprobieren oder verschreiben, so meine Praxiserfahrung. Oft bin ich derjenige, der es empfiehlt und die Patienten erst darauf hinweist, diese dann zum Arzt gehen, um dann eine Verschreibung dafür zu bekommen. Genauso ist es oft mit Cannabis bei Krebserkrankungen und schweren Schmerzsymptomatiken.

Dabei ist bekannt, dass Antidepressiva keine innovativen Medikamente sind und gerade bei leichter Depression genauso (un)wirksam sind wie Placebos. Beim Johanniskraut hat man aber in Studien eine eindeutige Wirkung bei leichter bis mittelschwerer und bei saisonaler Depression nachgewiesen. Im Zeitraum von 2008 bis 2017 stiegen die ärztlichen Verordnungen der Mittel zur Behandlung von Depressionen um über 50 Prozent. Das macht klar, dass Phytomedikamente nur eine untergeordnete Rolle spielen und spielen dürfen.

Mittlerweile, das war zur Zeit der Ausstrahlung dieser Doku noch nicht so, ist dieses Präparat Laif900® ursprünglich von einer kleinen Firma zum Pharmariesen Bayer abgewandert. Das passiert gerade sehr oft, dass kleine Phytopharmafirmen ihre Blockbuster verkaufen, um im Kampf mit den Großen zu überleben. So ist es bei Iberogast® und Kyttasalbe® auch geschehen.

 

Einjähriger Beifuß (Artemisia annua)
Bei Artemisia annua ist die Forschung gerade wieder neu aufgeflammt, allerdings in einem ganz anderen Kontext: Die afrikanischen Länder setzen es aktuell bei der Behandlung von Covid19 ein.

Als Malariamittel war es schon im alten China bekannt und verwendet worden. 2015 hat die chinesische Pharmakologin Youyou Tu für die Forschung um Artemisia einen Nobelpreis für Medizin bekommen. Das Problem mit Artemisia als Pflanze ist, wie so oft, die Einzelstoff-Extraktion, in diesem Fall von Artemisinin.

In der Doku wird schön gezeigt, dass der Gesamtextrakt sowohl bei Johanniskraut als auch bei Artemisia sehr wirkungsvoll ist und man bei Johanniskraut noch immer nicht weiß, welche Inhaltsstoffe genau die antidepressive Wirkung hervorbringen. So hat auch die chinesische Pharmakologin ihre Forschung bei Kindern mit einen Gesamtextrakt in ärmlichen Regionen Chinas in den 70er Jahren begonnen. Das verhält sich übrigens beim Baldrian nicht anders. Auch hier konnten keine der Einzelstoffe vom Baldrian, weder die Lignane noch die Iridoide oder die Valeriansäure, in Untersuchungen die schlaffördernde Wirkung bringen. Nur der gesamte Extrakt oder der wässrige (Tee) Auszug zeigten eine eindeutige, schlaffördernde Wirkung, ohne die Fahrtüchtigkeit einzuschränken oder eine Tagesmüdigkeit zu verursachen.

Die Valeriansäure kommt übrigens auch noch in der Angelikawurzel (Angelica archangelica), im Kleinen Knöterichs (Persicaria minor) und den aus China stammenden Hasenohr (Bupleurum chinensis) vor, der auch eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung hat.

Die Extraktion und Halbsynthetisierung als Medikament Artesunat® hat im Laufe der Jahre mit vermehrter Anwendung in Afrika und Asien zu einer steigenden Resistenz der Malaria-Erreger geführt. Das heißt, früher hat man eine schnelle Wirkung und Linderung innerhalb von 1-3 Tagen gesehen, heute zieht sich die Heilung über einen längeren Zeitraum hin. Trotzdem ist Artesunat® immer noch hoch wirksam und einer der wichtigsten natürlichen Bausteine gegen Malaria, dieser schweren Erkrankung mit weltweit über 400.000 Toten jährlich. Im Jahr 2017 traten weltweit ca. 219 Millionen Malariafälle auf. Die meisten davon in Afrika (ca. 200 Millionen bzw. 92% der Fälle), gefolgt von Südostasien mit 5% der Fälle. Im Mittelmeerraum waren es ca. 2% der Fälle.  Kinder unter 5 Jahren sind die am stärksten betroffene Gruppe: Im Jahr 2017 machten sie 61% (266.000) aller Malaria-Todesfälle weltweit aus.

 

Chinarinde (Cinchona pubescens)

Eine weitere Malariapflanze, die ganz ins Abseits gerückt ist, heißt Chinarinde. Die Rinde stammt aus dem Nationalbaum von Peru (Cinchona pubescens), der dort auch die Nationalflagge schmückt. Der Gattungsname Cinchona geht ursprünglich auf das spanische ‚quinaquina‘ (= Rinde der Rinden) zurück. Der Baum gehört zur Familie der Rötegewächse wie Kaffee, Färberkrapp (Rubia tinctorum) und Katzenkralle (Uncaria tomentosa). Übrigens zwei weitere Pflanzen, die starke und gute Pflanzenmittel gegen Schmerzen der Gelenke und pathogene Erreger sind. Der Färberkrapp war früher ein oft benutztes Mittel bei Nierensteinen.

 

 

Färberkrapp (Rubia tinctorum)

Heute ist der Färberkrapp als Heilpflanze in Deutschland verboten, es gibt jedoch mit Manjistha eine ayurvedische Variante. Die Krappwurzel, auch Färberröte genannt, war seit dem frühen Mittelalter der wichtigste Lieferant eines roten Farbstoffes in Mitteleuropa. Schon im Altertum wurde Krapp zum Färben verwendet, wovon Texte auf erhalten gebliebenen Papyrii zeugen. Der rote Farbstoff, der nach dem orientalischen Namen der Pflanze ‚Lizari’oder ‚Alizari‘ Alizarin genannt wird, ist in der Wurzel der Krapppflanze enthalten. Sie wird im 3. Wachstumsjahr geerntet, getrocknet und gemahlen.

Auch in der Wurzel des Wiesen-Labkraut (Galium mollugo), früher auch die kleine Färberröte genannt, kommt dieser Farbstoff  in kleinen Mengen vor. Es war die Färberpflanze der armen Bevölkerung.

Die Alizarinsynthese gelang 1868 Carl Gräbe und Carl Liebermann. Sie erkannten, dass das Alizarin ein Derivat des im Steinkohlenteer vorkommenden Anthracen sein muss. Justus von Liebig hatte schon Jahre vorher die Synthese des Alizarins prophezeiht.

Er schrieb: „Wir glauben, dass morgen oder übermorgen jemand ein Verfahren entdeckt und aus Steinkohlenteer den herrlichen Farbstoff des Krapp oder das wohltätige Chinin oder das Morphin zu machen.“ Die technische Synthese über die Sulfonierung des Anthrachinons wurde von Gräbe, Liebermann und Caro im „Wettlauf“ mit Perkin am 25. Juni 1869 als englisches Patent eingereicht.

Das war der Anfang des Unterganges der pflanzlichen Farbstoffe und Färbemittel.

Jeder kennt den Geschmack von Bitter Lemon. Bitter Lemon wurde früher, genauso wie Tonic Water, von den Kolonialmächten zur Vorbeugung gegen Malaria verwendet. Da war natürlich auch noch Chinarinde drin. Dann hat man das Chinin extrahiert, welches in Bitter Lemon heute noch als Aromastoff Chinin enthalten ist.

Rezept: Ich mache mir in Erkältungszeiten, aber auch jetzt im Sommer, gerne ein Chinarinden-Erfrischungsgetränk. Dafür nehme ich so ungefähr 1TL Rinde, überbieße es mit 50ml kochend heißem Wasser  und lasse es 3omin als Teeauszug ziehen. Dann fülle ich das Ganze in eine 1 Literflasche zusammen mit 3 ausgepressten Zitronen oder auch 5 Limetten ab, fülle die Flasche mit Sprudelwasser oder stillem Wasser auf und süße es noch nach Belieben mit Birkenzucker. Es ist sehr erfrischend und ein stark wirksames Mittel gegen alle Arten von Erregern oder auch bei Sommer- und Wintergrippe.

Im Bezug zur Malariaerkrankung könnte man sich dieser Tage auch fragen, warum die Unsummen von Mrd. Euro, die jetzt in die Covid19 Forschung gesteckt wurden, nicht zu Forschungszwecken von Malariamitteln oder zur Prävention und Verbesserung der Lebensumstände in Afrika geflossen sind? Mit der Erderwärmung wird auch die Malariaerkrankung wieder weiter Richtung Norden Europas ziehen, wie es früher schon einmal war. Schon im alten Rom war die Malaria spätestens ab 200 v. Chr., besonders in der Region Roman Campagna weit verbreitet. In Ägypten noch viel früher und auch im Altertum kannten die Griechen diese Erkrankung schon.

Zurück zur großen Heilpflanze Artemisia: Sie hat noch einen ganz anderen Aspekt in der Anwendung, der zwar nur im Labor bestätigt wurde, es aber bis jetzt nicht zur aussagekräftigen Forschung am Menschen geschafft hat. Es hat eine eindeutige Wirkung auf Krebszellen.

Da aber Pflanzenforschung gegen Krebs nicht von pharmazeutischen Großunternehmen angestrebt wird, und Regierungen dafür keine relevanten Summen zur Verfügung stellen, hat sich dieser Aspekt wieder verflüchtigt. Das ist übrigens bei vielen Pflanzen so, die eine eindeutig antikanzerogene Wirkung im Labor zeigen. Hier sei nur mal die erste Euphorie bei der Betulinsäure der Birke gegen Krebs und HIV genannt. Das ist jetzt schon länger als ein Jahrzehnt her und in der Entwicklung als Medikament ist nicht wirklich was in Aussicht. Nur bei den toxischen Pflanzeninhaltsstoffen wie aus der Eibe (Tamoxifen®), dem Madagaskar Immergrün (Catharanthus roseus) mit ihren Wirkstoffen Vinblastin/Vincristin und aus den Blättern von Camptotheca acuminata (Camptothecin ist ein zelltoxisches Alkaloid) dem Chinesischen Glücksbaum, einem zu den Tupelogewächsen (Nyssaceae) gehörenden chinesischen Baum, wurden drei der wichtigsten Krebsmittel aus Pflanzenstoffe hergestellt, die heute auf dem Markt sind. Die pure Einnahme der Pflanzenteile ist sehr giftig und kann schon in kleinen Dosen zum Tode führen. So wie auch der Schierling früher eines der ersten, aber hoch giftigen Krebsmittel war. Darum soll und darf mit diesen Pflanzen ausdrücklich keine Selbstmedikation erfolgen!

Diese drei erstgenannten Pflanzen wurden Mitte der 60er Jahre von National Cancer Institute in einen Screening von über 3000 Pflanzen herausgepickt, um damit Forschung zu betreiben.

Pflanzen wie Lapacho und Katzenkralle, die auch im Rahmen dieses Screenings untersucht wurden und eine antikanzerogene Wirkung zeigten, hat man zur Forschung fallen gelassen.

 

Also was kann man daraus lernen?

Der Gesamtextrakt der Pflanze als Tee-, Pulver-, Zäpfchen (wie auch in der Doku gut gezeigt wird bei Babys) oder als Tinktur, bietet die sicherste und sinnvollste Methode, um eine Resistenz von Erregern wie bei Malaria, aber auch bei Bakterien und Viren zu vermeiden. Denn man darf nicht vergessen: Diese Erreger sind schon seit Milliarden von Jahren (Ausnahme der Malariaerreger, der ist wahrscheinlich erst ca. 60 Millionen Jahren im Darmtrakt von Reptilien entstanden) auf unserem Planeten und haben die Fähigkeit sich hervorragend und schnell anzupassen. Bakterien teilen sich in der Regel alle 20min. So sind sie schnell in der Lage sich neuen Umweltbedingungen anzupassen, also zu mutieren, wie wir bei der Antibiotikaresistenz gerade sehen können.

Multiresistente Keime – Nosokomiale Infektionen (Krankenhausinfektionen)

Experten schätzen, dass bis zu 600 000 Menschen pro Jahr in Deutschland Krankenhausinfektionen erleiden. Jährlich sterben alleine an dem Krankenhauskeim MRSA 10.000-20.000 Menschen in Deutschland, laut RKI. 80 Prozent der im Krankenhaus erworbenen Infektionen sind Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen und Wundinfektionen. Schätzungen zufolge infizieren sich mehr als 2,5 Millionen Patienten in Europa jedes Jahr neu mit Krankenhauskeimen. Das wäre doch wirklich eine Pandemie Stufe 6 laut WHO wert, oder?

 

Für alle, die sich für Heilwirkungen, Bestimmung, das Sammeln und die Zubereitung von Heilpflanzen interessieren, biete ich eine Jahresausbildung in Heilpflanzenkunde an. Mein neuer Kurs startet im September! Mehr Infos findet ihr hier

 

 

Links:

Malaria Evolution: http://www.gigers.com/matthias/malaria/history.htm

Malaria Report: https://tropeninstitut.de/aktuelle-krankheitsmeldungen/23.11.2018-who-malaria

Artemisia: https://www.deutschlandfunk.de/heilpflanze-artemisia-annua-afrikanischer-kraeutertrank-als.676.de.html?dram:article_id=478372

Antidepressiva Placebo: https://www.derstandard.de/story/2000107329748/placebos-und-antidepressiva-wirken-gleich-gut

Johanneskraut: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2001/daz-9-2001/uid-331

MRSA: https://www.scinexx.de/news/medizin/deutschland-bis-zu-20-000-tote-jaehrlich-durch-krankenhauskeime/

Arsunate: https://www.duale-medizin.de/behandlungsmethoden/biologische-chemotherapie/

Färberkrapp: https://www.tuhh.de/b/hapke/farbstof.html

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